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KI im Gaming: Wie Algorithmen die Videospielbranche voranbringen
Sie gewinnt gegen Gaming-Profis, passt sich in Sekunden Deinem Spielverhalten an oder entwickelt selbstständig komplett neue Spielwelten: Künstliche Intelligenz ist im Gaming allgegenwärtig und bietet vielfältige Möglichkeiten. Unsere Beispiele zeigen, warum KI in der Gaming-Branche nicht mehr wegzudenken ist.
Erinnerst Du Dich noch an unfreiwillig witzige Situationen in Videospielen, in denen sich maschinell gesteuerte Gegner komisch verhalten haben? Dass Du sowas heute seltener erlebst, liegt nicht zuletzt an dem Fortschritt von Künstlicher Intelligenz (KI). KI-Technologien im Gaming haben bereits seit Ende der 70er-Jahre Tradition und machen seitdem große Fortschritte.
KI als Spielgegner: Vom Schach-Experten zum Echtzeit-Strategen
Für ein gelungenes Spielerlebnis am PC und an der Konsole ist die Interaktion zwischen Mensch und Maschine besonders wichtig. In dieser Hinsicht birgt KI enormes Potenzial, sowohl in der Entwicklung als auch als inhaltlicher Bestandteil von Games.
Eines der wohl berühmtesten Beispiele für eine KI als Spielgegner ist der legendäre Schachcomputer „Deep Blue” von IBM, der schon 1997 den Weltmeister Gary Kasparov schachmatt setzte. Mit der zunehmenden Komplexität von Echtzeit-Strategiespielen wie „Age of Empires“ oder „Command and Conquer“ in den 90er-Jahren wurden Big Data und selbstlernende Algorithmen für die Spielentwicklung immer wichtiger.
Mensch gegen Maschine: KI-Bots punkten in immer mehr Spielsituationen
Die Google Tochter Deepmind arbeitet seit Längerem an KI, die es mit menschlichen Gegenspielern aufnehmen können. Während die Algorithmen bis nur in verhältnismäßig einfachen Atari-Klassikern wie „Breakout”, „Video Pinball” und „Space Invaders“ punkten konnten, ist die Deepmind-KI Alphastar mittlerweile clever genug für das Echtzeit-Strategiespiel „Starcraft“. Trainiert mit einer Datenbank des Spieleherstellers Blizzard gewann die Alphastar-KI Anfang 2019 in einem „Starcraft 2“-Turnier nicht nur gegen Profi-Gamer, sondern überholte auch in öffentlichen Ranglistenspielen 99,8 Prozent der menschlichen Konkurrenten, die im Vormonat aktiv gespielt hatten.
Dass es künstliche Intelligenz sogar in anspruchsvollen Multiplayer-Matches mit Profis aufnehmen kann, zeigten 2018 die das Team aus fünf KI-Bots gewann gegen menschliche Teams in „Dota 2“ – einem der komplexesten E-Sport-Titel überhaupt. Der Sieg war hart erarbeitet: Das Trainingspensum der „OpenAI“ umfasste umgerechnet eine Spielzeit von 180 Jahren. Die KI spielte tagtäglich gegen sich selbst und lernte dabei aus eigenen Erfahrungen.
Machine Learning für authentische Spielerfahrungen
Maschinelles Lernen ist für Entwickler auch ein wichtiges Werkzeug, um die komplexeren Regelsätze in heutigen Games umzusetzen. Schließlich sollen sowohl sogenannte Nicht-Spieler-Charaktere (NPCs) als auch die virtuelle Umgebung möglichst glaubwürdig dargestellt werden und dynamisch auf das individuelle Verhalten des Spielers reagieren. Der Games-Hersteller Electronic Arts (EA) nutzt KI seit Jahren unter anderem bei seiner Fußballsimulation „FIFA“, um das Verhalten der Figuren, die nicht vom Spieler gesteuert werden, authentischer zu gestalten. In der Technologieabteilung (Search for Extraordinary Experiences Division) arbeiten die Entwickler in erster Linie an Algorithmen, die interagierende und somit „emotionalere“ Spielwelten ermöglichen.
Künstliche Intelligenz geht Programmierern zur Hand
Auch in der unmittelbaren Entwicklungsphase von Spielen birgt KI Vorteile. Das Games-Unternehmen Ubisoft geht dem in der hauseigenen Forschungsabteilung Laforge nach. Die KI-Assistenz „Commit-Assistant“ macht beispielsweise P im Voraus in Codes ausfindig. Bei einem weiteren Projekt ist eine KI hingegen für die Verarbeitung von Animations- und Bewegungsdaten zuständig, die mittels Motion Capturing erfasst wurden. Was einen Entwickler gut vier Stunden beschäftigen würde, erledigt die KI in etwa vier Minuten.
Der Forscher Michael Cook ist schon ein paar Schritte weiter und arbeitet an einer KI, die komplett eigenständig Spiele entwickeln kann. „Angelina“ generiert laut Gamestar nicht nur die virtuelle Umgebung, sondern auch Gameplay und Beschreibungstext. Die ersten rudimentären Ergebnisse kannst Du mit dem Spiel „Wheel And Steal“ bereits testen.
Xbox-Studio verfolgt derzeit ein anderes Ziel beim Einsatz von KI. Microsofts Playfab-Team will Nintendos Spieleklassiker mittels KI-Upscaling ins HD-Zeitalter bringen. Anstatt das Bild wie bisher nur durch farblich ähnliche Pixel aufzublasen, sollen Algorithmen passend zur Szene komplett neue Bildinformationen ergänzen. So könnten verpixelte Spieleklassiker künftig automatisch an hochauflösende Qualitätsstandards angepasst werden.
Games als KI-Testfeld: Vom Spiel in reale Anwendungsbereiche
Der Nutzen von KI im Gaming ist nicht nur einseitig. Denn für neue KI-Systeme bieten Videospiele wertvolle Test- und Trainingsplattformen. Algorithmen, die in der Gaming-Industrie entwickelt und erprobt werden, können leicht variiert auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Das ist zum Beispiel das übergeordnete Ziel des Grafik-Technologie-Experten Nvidia. Dieser stellte vor Kurzem eine KI vor, die mit Hilfe des sogenannten GameGAN-Verfahrens (Generative Adversarial Networks, zu Deutsch etwa „generative gegnerische Netzwerke“) den Spieleklassiker Pac-Man nachbauen kann. Das Besondere ist, dass die KI dafür keinen Quellcode benötigt, sondern nur beim „Zusehen“ lernt, das Videospiel Bild für Bild zu klonen. Die GameGAN-KI ähnelt somit eher einem interaktiven Videovorhersagesystem, das künftig auch in der echten Welt Anwendung finden könnte. Denkbar wäre zum Beispiel ein System, das Bewegungen von Transportern in einem Lager beobachtet und darauf aufbauend selbstständig eine Navigations-Software erstellt.
Das finale Level für KI im Gaming ist also noch lange nicht erreicht. Künstliche Intelligenz wird nicht nur in der Videospielbranche sicherlich eine noch größere Rolle spielen.
Wann ist Dir beim Zocken zuletzt bewusst geworden, dass Du es mit künstlicher Intelligenz zu tun hast? Schreib uns von Deinen Erfahrungen und Begegnungen mit KI in Games!