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Interview: Ausstellung „Das Netz“ im Deutschen Technikmuseum in Berlin
Das Deutsche Technikmuseum baut momentan weiter Lagerhallen der historischen Ladestraße des Anhalter Güterbahnhofs in Berlin zum Ausstellungsort um. Bald soll dort die Ausstellung „Das Netz“ eröffnen, die veranschaulichen will, wie Informations- und Kommunikationsnetze unser Leben beeinflussen. Unser Autor Sandro hat dazu Jörg Rüsewald, einem der Kuratoren der Ausstellung, ein paar Fragen stellen dürfen.
© SDTB / Foto: Kirchner
Hallo Jörg, Du bist Kurator bei der Ausstellung „Das Netz“ im Deutschen Technikmuseum in Berlin. Erzähl doch einmal kurz etwas über Dich. Was macht ein Kurator?
Hi Sandro. Ich bin natürlich nicht alleine bei unserem Ausstellungsprojekt. Wir sind insgesamt sechs Kuratoren. Da kommt aber wiederum auch noch eine ganze Palette weiterer Kollegen dazu. Jedenfalls: Als Kuratoren kümmern wir uns vor allen Dingen um die inhaltliche Planung und Umsetzung der Ausstellung. Das geht von den ersten Ideen und Konzepten bis hin zur ganz konkreten Arbeit: Sehenswerte Exponate auswählen, Ausstellungstexte schreiben, interessante Medieninhalte finden und vieles andere. Glücklicherweise können wir uns die Arbeit aufteilen: So ist jeder Kurator inhaltlich für bestimmte Bereiche der Netz-Ausstellung verantwortlich. Für die ganz praktische Umsetzung – damit hinterher tatsächlich auch die Ausstellung dort steht und so aussieht, wie wir es uns gedacht haben – arbeiten wir eng mit einem Gestaltungsbüro zusammen.
Bei der Ausstellung wird ja voraussichtlich das Internet einen prominenten Platz einnehmen. Kannst Du uns in ein, zwei Sätzen erklären, was das Internet eigentlich ist?
Ja, das stimmt: Das Internet nimmt einen prominenten Platz ein. Jeder denkt beim Titel „Das Netz. Menschen, Kabel, Datenströme“ natürlich in erster Linie an das Internet. Es geht aber nicht ausschließlich darum, sondern generell um technische Kommunikations- und Informationsnetze. Also beispielsweise auch um ältere Netze wie die Telegrafie oder Exoten wie BTX. In dem Zusammenhang wird die Ausstellung fragen, wie diese Netze unser Leben, unser Denken und Handeln beeinflussen und beeinflusst haben. Dabei sehen wir das Internet sozusagen als „Netz der Netze“. Soll heißen: Es vereinigt vieles von dem, was andere, zum Teil ältere technische Netze, schon geleistet haben, wie zum Beispiel das Telefonnetz. Es bringt aber auch ganz neue Formen der Kommunikation und des Umgangs mit Informationen hervor.
Seit wann gibt es das Internet eigentlich?
Die allgemeine Geschichtsschreibung lässt das Internet zumeist mit dem sogenannten ARPANET beginnen. Das war ein vom US-amerikanischen Militär finanziertes wissenschaftliches Kommunikationsnetz. ARPANET existierte seit Ende der 1960er Jahre erst nur zwischen wenigen Universitäten. Es wuchs aber mit der Zeit und es kamen weitere Netzknoten hinzu. Um ARPANET dann auch mit anderen Kommunikationsnetzen verbinden zu können, wurde in den 1970er Jahren das sogenannte TCP/IP-Protokoll entwickelt. Das war so eine Art Meilenstein, weil nun – verkürzt gesagt – viele unterschiedliche Netzwerke miteinander sprechen konnten. Das hatte ein sehr stetiges, vor allen Dingen auch globales Wachstum dieser Kommunikationsnetze zur Folge. Seitdem spricht man dann auch erst vom „Internet“, also einem Verbund von vielen unterschiedlichen Netzen.
Was ist Deiner Meinung nach die größte Veränderung in unserem Alltag, die das Internet mit sich gebracht hat?
Ich würde sagen, da gibt es eine ganze Menge an Veränderungen. Einen ersten persönlichen Internetmoment, wenn man das so sagen kann, hatte ich wohl 1999, als Douglas Adams in der Stadt war und ich aber keine Karte für seine Lesung mehr bekam. Ich war jedoch total froh, als ich mir das Ganze per wackeligem Stream über meine damalige ISDN-Leitung anschauen konnte. Daher würde ich schon mal sagen, das Internet bietet uns neue Möglichkeiten der Teilhabe, in kulturellen, sozialen, politischen Bereichen. Die Ausstellung wird genau diese Fragen unter die Lupe nehmen: Was bieten uns technische Netze, allen vorweg das Internet, an neuen Gestaltungsmöglichkeiten? Aber auch: Wie verändert die zunehmende Beschleunigung oder auch die ausufernde Kontrolle unseren Alltag? Das sind sicherlich zwei weitere große Veränderungen, nach denen du gefragt hast.
Warum macht man eine Ausstellung über das Netz?
Wir hatten einfach noch ein bisschen Platz im Museum. Haha, nein, Spaß beiseite. Obwohl, wenn ich’s recht bedenke: Eigentlich stimmt das schon auch. Das Deutsche Technikmuseum ist hier ja direkt auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Anhalter-Güterbahnhofs und Bahnbetriebwerks angesiedelt. Teil des Museumsareals ist die historische Ladestraße des Bahnhofs; die ehemaligen Lagerhallen – langgezogene, weiträumige Gebäude – werden jetzt für die Netz-Ausstellung weiter ausgebaut. Hier wollen wir auch in Zukunft noch weiter wachsen.
Gleichzeitig ist „Das Netz“ Teil eines größeren Ausstellungskonzepts, das in unserem Haus schon seit vielen Jahren existiert. Wir wollen eine Reihe von Themenausstellungen auf die Beine stellen, die sich aus verschiedenen Sammlungsbereichen unseres Hauses zusammensetzen. Mit der Netz-Ausstellung setzen wir dieses Ausstellungskonzept, genannt „Technoversum“, zum ersten Mal in einer Dauerausstellung um.
Inhaltlich geht es uns ganz klar darum, das Verständnis für technische Netze und deren soziale und kulturelle Ausprägungen zu stärken. Daher wird es auch ein besonderes Begleitprogramm zur Ausstellung geben, das dieses Verständnis für verschiedene Zielgruppen wie Familien oder Schulklassen vertieft.
Wann wird die Ausstellung eröffnet und was erwartet den Besucher dort?
„Das Netz“ eröffnet am 9. September für alle Besucherinnen und Besucher. Die Ausstellung erstreckt sich über 1600 Quadratmeter, auf denen etwa 550 Exponate zu sehen sind. Es wird über 70 Medienstationen geben und einige sehr coole Mitmachstationen, die ich, ehrlich gesagt, kaum erwarten kann. Wir haben die Ausstellung von Anfang an auf eine spezielle Zielgruppe angelegt, nämlich Schüler und Familien. Was aber nicht heißt, dass für Nerds und alle anderen nicht auch Einiges zu entdecken wäre.
„Das Netz“ wird drei große Hauptbereiche haben, die quasi drei unterschiedliche Perspektiven auf Netze bieten. Dort liegt jeweils der Fokus auf dem Menschen als Nutzer, auf der Netztechnik und auf den Inhalten, die über Netze vermittelt werden. Drumherum wird es kleinere Themeninseln geben, wo es jeweils um konkrete Anwendungsbereiche geht, also beispielsweise „Games“, „Shopping“, „News“, um nur einige zu nennen.
Wir haben auch ein kleines Blog an den Start gebracht, wo wir regelmäßig über den Fortgang der Ausstellungsplanung und über Themen der Ausstellung schreiben. Da kann man sich auch schon vor der Eröffnung informieren – ebenso auf der Website und Facebook-Seite des Museums.
© SDTB / Foto: Clemens Kirchner
Gibt es unter den Ausstellungsstücken eines, das Du als Dein Lieblingsstück bezeichnen würdest?
Da gibt es eigentlich sehr viele schöne Objekte. Beispielsweise finde ich das kleine Stück des ersten Transatlantikkabels sehr faszinierend oder den ersten MP3-Player-Prototyp. Ein sehr cooles Exponat ist gleichzeitig auch eines unserer größten Objekte und hat sogar einen Namen. Es heißt Otto und ist ein sogenannter „Datenkrake“. Also eigentlich ist Otto ein riesengroßes Modell eines Kraken und wurde in den letzten Jahren beispielsweise auf den Freiheit-statt-Angst-Demonstrationen mitgeführt. Er symbolisiert natürlich die ganzen Firmen und Staaten, die unsere privaten Daten haben wollen. Otto wird sich mit seinen meterlangen Tentakeln über einem der Ausstellungs-Hauptbereiche winden.
Und nun Deine Einschätzung: Stichwort Internet der Dinge. Wie sieht die Welt in 50 Jahren aus? Wie sehr wird das Internet Teil unseres Alltags sein?
Puh, schwierige Frage. Momentan erleben wir ja gerade die stetige Umstellung auf ein neues Internetprotokoll, nämlich IPv6. Das bedeutet, es können in Zukunft sehr viel mehr Internetadressen vergeben werden, als noch mit dem Vorgängerprotokoll. So gesehen kann somit auch jedes Ding unseres Alltags mit einer Adresse, sozusagen mit einem Netzanschluss, versehen werden. Damit steigen natürlich auch die Möglichkeiten von Kontrolle und Überwachung, was in jedem Fall verhindert werden muss. Daneben kann ich mir aber auch vorstellen, dass die zunehmende Vernetzung der Dinge Chancen bietet. Ob dabei das alte Versprechen, dass uns die Technik das Leben „erleichtert“, endlich eingelöst wird, weiß ich nicht. Was ich mir persönlich jedoch in 50 Jahren wünschen würde: Beamen wäre schön.