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Fly in der featured-Filmkritik: Starker Tanzfilm, wenig Drama
Kann Tanzen junge Inhaftierte von der schiefen Bahn holen? „Fly“ begleitet eine provokative Einzelgängerin, die im Gefängnis an einem Tanzprogramm teilnimmt, um wieder Teil der Gesellschaft zu werden. Ob das Drama Dich mitreißt, liest Du in der featured-Filmkritik.
Bex (Svenja Jung) sitzt ein. Die 20-Jährige hat durch ihr leichtsinniges Verhalten einen Autounfall verursacht, bei dem ein junger Mann schwer verletzt wurde. Um nicht in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden, schließt sie sich einem Tanzprogramm an. Auch Bex‘ Anwältin Dr. Goldberg (Katja Riemann) rät ihr dazu. Doch weder die junge Straftäterin, noch der Berliner Senator Hartmann (Aleksandar Jovanovic), der das Projekt einstampfen will, oder Tanztrainerin Ava (Jasmin Tabatabai) sind davon überzeugt. Die Mentorin erkennt jedoch schnell, dass die Gruppe Potenzial hat. Mit zunehmendem Trainingsfortschritt fassen die Mitglieder allmählich vertrauen ineinander. Doch Bex‘ Vergangenheit holt sie wieder ein und bringt nicht nur die zarte Bande zwischen ihr und Mitinsasse Jay (Ben Wichert) in Gefahr.
Fly: Ein Feuerwerk an Stereotypie
Regisseurin Katja von Garnier scheint eine Vorliebe für Filme zu haben, die in Haftanstalten spielen und in denen die Protagonistinnen an einer Rehabilitationsmaßnahme teilnehmen. Genau das war 1998 bereits in „Bandits“ der Clou. Das erfolgreiche Roadmovie porträtiert eine vierköpfige Knastbande, die während eines Auftritts flieht.
In Fly kopiert Garnier nicht nur die Rahmenhandlung, sondern holt mit Katja Riemann, Jasmin Tabatabai und Nicolette Krebitz (in der Rolle der Pädagogin Sara) einen Großteil der Bandits-Besetzung erneut an Board. Wieder geht es um ein Resozialisierungsprojekt, Träume und Menschen mit harter Schale und weichem Kern. Was 1998 noch halbwegs gut funktionierte, hat bei Fly ein großes Problem: Die Story ist mindestens genauso platt und stereotypisch wie die Charaktere im Film. Die von Schuldgefühlen geplagte Hauptdarstellerin, eine Mentorin, die auf harten Hund macht und Häftlinge, die einem Panini-Sammelalbum entsprungen sein könnten. Konflikte, Sorgen und Ängste werden einfach weggetanzt. Und zum krönenden Abschluss rettet eine Tanzeinlage ein ganzes Bauprojekt.
Grandios inszenierte Tanzeinlagen
Glücklicherweise fußt ein Tanzfilm nicht allein auf der Story. In Fly bildet sie nur den Rahmen für hervorragend gedrehte und choreografierte Tanzsequenzen. Da kann man Dialoge und Sprüche wie „für Hochkultur muss man ins Opernhaus, hierfür in die Parkgarage“ getrost wegschmunzeln.
Dabei sticht vor allem Schauspielerin Svenja Jung hervor, die neben den professionellen Tänzer:innen des Berliner Tanzensembles „Flying Steps“ eine gute Figur macht. Zwischen ihr und Ben Wichert, dem Weltmeister im Hip-Hop-Freestyle, stimmt die Chemie, was sich in den gemeinsamen Szenen bezahlt macht. Aber auch allein macht Svenja Jung Eindruck. Die Tänze, in denen Bex ihre Alpträume und Schuldgefühle zum Ausdruck bringt, sind besonders sehenswert.
Schauspielende, die zu Tänzer:innen werden und umgekehrt
Die Mitglieder der Tanzformation Flying Steps machen einen tollen Job und kaschieren durch ihre Tanzperformances gekonnt, dass Schauspielen definitiv nicht ihre Stärke ist. Die Dialoge bleiben kurz und sind so klischeehaft, dass Du wahrscheinlich die nächsten Worte vorausahnst. Majid Kessab muss in seiner Rolle als Fahid den Clan-Sohn raushängen lassen, aggressive Sprüche inklusive. Sobald die Crew aber zu tanzen beginnt, ist Fly wieder stark. Egal, ob elegant im Museum oder bei einem Battle mit einer anderen Crew: Die Tanzszenen profitieren von den verschiedenen Charakteren und Tanzstilen der Flying Steps. Freestyle trifft auf Locking, Popping und weitere Bewegungsarten des Hip-Hops. Eingebettet in tolle Locations machen diese Szenen wirklich Spaß und haben uns oftmals zum Staunen gebracht.
Das Fazit zu Fly: Eine verzweifelte Reunion
Die Tänze haben nicht nur von der Abziehbild-Story abgelenkt, sondern auch von der Bandits-Reunion mit Jasmin Tabatabai, Katja Riemann und Nicolette Krebitz. Während die drei im Neunziger-Streifen eine durchaus gute und sympathische Figur machten, sind sie hier nur noch in die Jahre gekommene Kopien, die so gut wie nichts zur Geschichte beitragen. Gerade Jasmin Tabatabai wirkt unglaublich hölzern, ihre Dialoge wie runtergebetet, dazu mit so viel Charme wie das ihres Pseudo-Rockeroutfits. Schlussendlich ist Fly ein Film, den Du nur anschauen solltest, wenn Du Dich für tolle Tanzszenen interessierst und es schaffst, alles andere auszublenden.
Fly | |
Genre: | Drama/Tanzfilm |
Bundesstart: | 14. Oktober |
Laufzeit: | 110 Minuten |
FSK: | ab 6 Jahren freigegeben |
Regie: | Katja von Garnier |
Drehbuch: | Daphne Ferraro |
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