Digital Life
#FEATURISTA – Smart Clothing auf der Berliner Fashionweek
Berlin im Sommer. Eine Woche lang gibt sich die Fashion-Branche auch in der deutschen Hauptstadt die Klinke in die Hand, feiert sich, stellt die neuen Kollektionen vor und zeigt die Richtung, in die sich Mode entwickeln wird. Oder wie Carrie Bradshaw aus „Sex And The City“ sagen würde: „Einmal im Jahr lassen die Frauen die Vergangenheit hinter sich und schauen erwartungsfroh in die Zukunft. Wir nennen das Fashion Week.“
Das Stadtbild ist voller schwarzer Luxuslimousinen, die als Fashion Week Shuttle Models, Designer und vor allem Deutschlands C-Prominenz zwischen den verschiedenen Modenschau- und Partylocations hin- und hertransferieren. Sie sind aber nicht das einzige technische Highlight, das die Fashion Week bereichert. Mode, als eine der ganz wenigen Katalysatoren, über die wir täglich rund um die Uhr mit unserer Außenwelt kommunizieren und unseren Stil und unsere Individualität zu transportieren versuchen, wird mehr und mehr digital. Das nennt sich dann Wearable oder Smart Clothing – ist aber in jedem Fall ein elementarer Bestandteil der Entwicklung in der Mode, die sich zweimal im Jahr für jede Saison wieder neu erfinden muss.
„Mode heißt ja, sich permanent mit dem Morgen zu beschäftigen.“
Christiane Arp, Chefredakteurin der Deutschen „Vogue“ und damit dem Zentralorgan der Fashion-Branche, findet, dass jeder, der am Geschäft mit der Mode teilnimmt, sich mit dem Thema „wie kleiden wir uns morgen?“ auseinandersetzen muss. Sie erzählt, dass dazu natürlich insbesondere neue technische Aspekte und Nachhaltigkeit gehören: „Mode heißt ja, sich permanent mit dem Morgen zu beschäftigen, und da kommen wir alle an diesem Thema nicht vorbei und sollten auch nicht vorbei kommen – deswegen muss Mode offen sein für alles.“
Foto: by Michalsky
Wie tief das Thema Technik sich bereits in den Alltag eines Designers geschoben hat, sieht man sehr gut an Michael Michalsky. Der Berliner Top-Designer, der während der Fashion Week nicht nur seine neue Kollektion „Perspektive“ vorstellt, sondern auch 10 Jahre Atelier MICHALSKY feiert, ist in dem Thema bereits ein alter Hase. Er erzählt mir, dass Technologien für Smart Clothing das „Next Big Thing“ werden – vor allem im 3D-Druck. Technologie hat schon jetzt großen Einfluss auf die Mode, und sogar den Haute Couture Bereich. Michael Michalsky selber ist diesem Trend natürlich bereits eine Nasenlänge voraus. Im Herbst letzten Jahres hat ihn die Firma DOOB, eines der führenden 3D-Technikunternehmen, als Creative Director gewonnen, im Januar zur Fashion Week gab es die erste 3D-Kunstausstellung. Seine Vision der Zukunft der Mode sieht so aus: „Ich interessiere mich immer für neue Technologien, Darstellungsformen und Materialien und probiere gerne neue Dinge aus. Was aktuell noch nach Zukunftsmusik klingt, wird einmal die Mode, aber auch unser komplettes Leben umkrempeln.”
Ready-To-Wear-Mode
Aber was heißt das exakt? 3D-Drucker, klar. Auf ihre Fähigkeiten optimierte Mode, die man sich zu Hause maßschneidern lassen und dann ausdrucken kann. Da bekommt Ready-To-Wear gleich eine ganz neue Bedeutung. Solar aufladbare Fashion, die als Akku für Smartphones fungiert. Aber auch technische Innovationen, die man während der Fashion Week zum Beispiel auf der #Fashiontech, erleben kann. Die Konferenz über die Zukunft der Mode findet im Kühlhaus Berlin im Rahmen der Premium Messe statt. Hier treffen Technik-Nerds auf Fashion-Victims. Und es gibt viel zu entdecken.
Quelle: Vimeo/ Pauline van Dongen
Da wäre zum Beispiel ElektroCouture. Unter dem Slogan „Fashiontech goes Prêt-à-Porter“ entstehen hier Wearables wie „Stargazer“. Das nachhaltige Projekt der Designerin Anja Dragan wurde bereits mit Preisen überhäuft. Durch die Möglichkeiten des Lasercutters können winzige Details, zum Beispiel hauchzarte Illustrationen diverser Künstler auf Kleidungsstücke transportiert werden. Die nächste Stufe nach Digital- und Siebdruck ermöglicht Effekte einer Gravur auf Kleidungsstücken.
Oder „Inforce Yoga“, eine Linie der Modedesignerin Lilien Stenglein. Die mit Hilfe von Digitalcuttern und 3D-Druckern entstandene Fitness-Kollektion besteht zu 99% aus Silberstoffen und sind damit zum einen extrem hautverträglich, zum anderen aber vor allem auch perfekt für Sport: Sie reflektieren die Körperhitze, wirken gleichzeitig geruchsneutralisierend und schützen den Körper vor elektromagnetischer Strahlung.
Die Schönheit der Natur in die Mode zu übertragen ist das Ziel von Designerin Lina Wassong. In ihren Ambience-Rock sind 24 Lichter integriert, die per Zufallsgenerator Lichtspiele inszenieren, während im Innenfutter verborgene Lautsprecher natürliche Geräusche wie Tierlaute, Flussrauschen oder das Rascheln von Baumkronen abspielen. Ein Rock wie ein Abend in der Dämmerung auf einer Waldlichtung.
Die Kollektion „Future Cities“ der Designerin Manu Varas bringt mit einem Dekor aus LED-Lampen die Kleidung zum Leben. Über die Leuchten können verschiedenste Blumen in mannigfaltigen Farben zu jeder Jahreszeit passend auf das Kleidungsstück gebracht werden. Diese bunt strahlende Mode, die sich an der Schönheit opulenter englischer Gärten orientiert, ist übrigens das erste Wearable, das vollständig in einer herkömmlichen Waschmaschine gewaschen werden kann.
Das StartUp WLS (Wearable Life Science) evolutioniert Sportkleidung als logische Ergänzung zur Entwicklung des menschlichen Körpers und den Extremen der Natur. Ihre Antelope Active-Sportswear basiert auf dem Prinzip der elektrischen Muskelstimulation und verstärkt damit die Effizienz einer Trainingseinheit enorm. WLS bringt diese Technologie, die bislang ausschließlich stationär – wie beispielsweise in einem Fitness-Club – anwendbar war, in den Lifestyle-Alltag und auf die Straße.
Zeig mir Deine Kleidung und ich sag Dir wie Du Dich fühlst
Die aus New York stammende Wearable Technology Designerin Birce Ozkan und die New Media Künstlerin Betty Quinn haben dagegen eher einen ganzheitlichen Ansatz. Über einen kinetischen EEG Sensor wird der Meditations- und Entspannungslevel des Trägers ermittelt und transportiert diesen an einen Rock, der die entsprechende Stimmung optisch adaptiert. Etwa über die Flügel eines überdimensionalen Schmetterlings. Quasi Esoterik für den Kleiderschrank. Ich persönlich fände es ja interessanter, meine Gedanken beim Anblick bestimmter Menschen auszulesen und mein Kleid dann Botschaften á la „Geh besser weiter“ oder „Hier gibt es nichts zu holen“ aussenden würde. Gerne auch in Form eines possierlichen Tieres. Ein Stinktier vielleicht.
Quelle: Vimeo/ Betty Quinn
Richtig glänzend wurde es dann aber doch noch mal, und zwar bei minx by Eva Lutz. Auf ihrer Show stolzierten die Models – unter ihnen „Germany´s Next Topmodel“-Finalistin Elena Carriére – in einem weißen Traumkleid über den Runway, bei dem der Rock von innen beleuchtet wirkte. Ein Cinderella-Kleid, das weithin strahlend meine Ankunft ankündigt, ist auf jeden Fall etwas, das in meinem Kleiderschrank nicht fehlen darf.
Und so geht sie zu Ende, die Fashion Week Spring/Summer 2017. Es ist zu spüren, dass das Thema Smart Clothing kein Nischenbereich mehr ist, der von ein paar Fantasten mit zu viel Freizeit völlig ohne Chance auf Marktreife mehr so als Hobby betrieben wird, sondern dass sie ein ganz zentraler und relevanter Aspekt für die gesamte Zukunft des Marktes ist. Ich freue mich also bereits auf die nächste Fashion Week im Januar 2017 – ich bin sicher, dass die Wearable-Szene dann einen weiteren signifikanten Schritt gemacht haben wird und wir uns bald schon alle im Alltag mit kommunizierender Kleidung umgeben wie heute mit unseren Smartphones.
Bis bald, ihr Fashion-Tekkis.
Eure Marie