Digital Life
#FEATURISTA – Je leuchtender die Robe, desto zahlreicher die Follower
Es wächst zusammen, was zusammen gehört. Okay, als der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt diesen Satz im November 1989 sagte, hat er nicht unbedingt ein Kleid gemeint, das sich den Stimmungen der Follower auf den sozialen Netzwerken anpasst. Für mich aber steht fest: Wir stehen am Anfang einer Symbiose aus Technologie und Fashion. Eine Entwicklung, die Mode und Stil für viele Jahre, möglicherweise für immer, prägen wird. Das ist nicht von ganz so historisch wertvoller Bedeutung wie die Deutsche Wiedervereinigung, wird aber am Ende noch viel mehr Menschen betreffen.
Einen großen Schritt ins gleißende Licht der großen Öffentlichkeit wagten der Designer Zac Posen und das Label Marchesa diesen Mai auf der New Yorker Met Gala. Die jährlich von Anna Wintour (seit 28 Jahren Chefin der US-Vogue) veranstaltete Spendengala gilt als die Party mit dem höchsten Promiauflauf in New York. Wäre das hier eine Kochkolumne, würde ich jetzt beleuchten, wie viele Promis und wie viel Käse man überhaupt benötigt, für so einen Promiauflauf. Ist es aber nicht. Ich beschäftige mich mit Tech-Trends. Und passend dazu stand die Met Gala dieses Jahr unter dem Motto: Mensch und Maschine: „Manus x Machina: Mode im Zeitalter der Technologie“.
Entsprechend viel Mühe gab sich die Haute Volee der Schönen, Reichen und Prominenten bei ihren Outfits. Um den jährlichen Battle auf dem roten Teppich um das grandioseste Outfit und die meisten Fotos für sich zu entscheiden und dabei auch noch zum ausgegebenen Thema zu passen, wagten viele sonst recht stilsichere Promis einen Ausflug ins Experimentelle. Das ging nicht immer gut. Style-Ikone Taylor Swift zum Beispiel überraschte in einem modischen Faux-Pas aus dem Hause Louis Vuitton, das dem Anspruch, Mode mit Technologie verschmelzen zu lassen, durch sehr viel Silberapplikationen gerecht werden wollte. Damit sah Queen TayTay dann allerdings eher aus, wie ein mit zu viel Lametta behangener Plastikweihnachtsbaum. Somit hatte ihr Kleid in etwa so viele Analogien zu Technologie, wie eine gelb angestrichene Blockflöte mit einer Banane.
Posen mit Posen. Also, Zac Posen.
Neben bedenklichen Ausrutschern in eine Fashion-Welt, in der Technologie vor allem bedeutet, möglichst ausgeflippte, futuristische Roben zu tragen, die direkt einem Werk von Salvator Dalí entsprungen sein könnten, gab es auch einige Highlights. US-Stardesigner Zac Posen schickte Claire Danes in einem Organza-Kleid auf den roten Teppich, das bei Dunkelheit einen glitzernden Sternenhimmel-Leuchteffekt entwickelt. Posen taufte es deswegen treffsicher „Galactica Cinderella“. Der Startschuss in eine durchaus interessante Modezukunft: Kleidung, die sich der Umgebung anpasst und farblich entsprechend reagiert. So ist es nicht verwunderlich, dass Bilder von Claire Danes in ihrem leuchtenden Prinzessinnenkleid innerhalb von kürzester Zeit die sozialen Medien beherrschten. Unter anderem schmückte sie innerhalb von wenigen Minuten tausende von Pinterest-Boards. Auch für Zac Posen selber war der Abend ein voller Erfolg. Er setzte seinen Triumphzug mit dem ersten Glowing-Kleid fort und absolvierte im Anschluss an seinen Met-Auftritt mit Claire Danes eine Tournee durch die größten Talkshows Amerikas, unter anderem einer der populärsten US-TV-Formate überhaupt, der legendären „Late Night Show“.
A little magic moment on @gma this morning! #ZacPosen #metgala #Ballgown #manusXmachina Ein von @zacposen gepostetes Video am
Kurz hinter dem Homeland-Star schritt dann noch Topmodel Karolína Kurková den roten Teppich entlang. Bei ihrem Kleid hatten die Designer von Marchesa in Zusammenarbeit mit IBMs neuer Semantik-Sensation „Watson“ noch einen Schritt weiter gedacht. Das Kleid reagiert nicht nur auf äußere Einflüsse aus der direkten Umgebung, sondern transportiert Stimmungen aus der ganzen Welt in die fast 200 LED-Leuchten, die in das Kleid eingearbeitet sind. Ein kognitives Abendkleid, das mit dem Netz kommuniziert. Entsprechend forderte Kurková ihre Fans und Follower über alle Kanäle auf, fleißig Kommentare zu posten, damit ihr Kleid auf die Stimmung in den sozialen Netzwerken reagieren könne. Dass ein berühmtes Fashion-Label dafür mit einem Unternehmen wie IBM kooperiert, das für viele Innovationen auf verschiedensten Sektoren verantwortlich war, das man aber mit Sicherheit niemals mit der Fashion-Branche in Verbindung bringen würde, zeigt recht eindeutig, wohin die Ready-To-Wear-Reise geht.
Aber wie können diese aufwändig inszenierten Einzelstücke Einzug in unseren Alltag halten? Wie wird der normale Prêt-à-porter-Käufer jemals mit etwas konfrontiert werden, das ein hochbezahltes Designer-Genie in 600 Arbeitsstunden mit einem 7-Mann-Team für ein Haute-Couture-Label entworfen hat? Nun, jeder einzelne von uns wird früher oder später an seiner Alltagskleidung merken, dass ein neues Zeitalter begonnen hat. Ich könnte dazu jetzt einen seitenlangen Exkurs über die Evolution von Modetrends und Verwertungsketten in der Fashion-Industrie beginnen. Aber am treffendsten hat es immer noch Miranda Priestly (aus „Der Teufel trägt Prada“/gespielt von der grandiosen Meryl Streep) gesagt:
„Das Zeug? Sie sind der Meinung, dass das nichts mit Ihnen zu tun hat. Sie gehen einfach an Ihren Schrank und greifen sich diesen plumpen, blauen Pullover zum Beispiel, weil Sie der Welt damit sagen wollen, dass Ihnen Ihre Kleidung nicht so wichtig ist wie Ihre Persönlichkeit. Aber was Sie nicht wissen, ist, dass dieser Pullover nicht einfach blau ist. […]Wie auch immer, dieses Blau steht für Millionen von Dollar und zahllose Jobs. Und es grenzt fast an Komik, dass Sie tatsächlich der Meinung sind, sich der Modewelt zu entziehen und das, obwohl Sie einen Pullover tragen, der von den Menschen in diesem Raum für Sie ausgewählt wurde. Aus einem Haufen Zeug.“
Quelle: Youtube/ GayHills
Wir werden sie also alle tragen. Früher oder später. Nachdem Wearables in den letzten Jahren einen Siegeszug als Gadgets für einen besseren Umgang mit unseren Körpern angetreten haben, läuten wir nun die Zeit ein, in der sie auch unsere Emotionen, Stimmungen und Launen einfangen können und Kleidung somit mehr als je zuvor ein Transportmittel unserer Persönlichkeit werden kann. Und auch bei Vodafone sitzen einige hochbegabte Genies. Ich bin sicher, bis zu meiner nächsten Kolumne erfinden sie die Readables – Kolumnen, die im Dunkeln leuchten und die Stimmung Eurer Tweets auffangen können. Ihr dürft gespannt sein!
Bis bald, ihr Fashion-Tekkis.
Eure Marie