Digital Life
Denken statt Tippen: Chatten wir bald nur noch per Gedankenübertragung?
Ein Foto ist schnell auf Facebook gepostet. Möchtest Du Deinen Gedanken aber auch ein paar Worte widmen, kommst Du nicht umhin, die Tastatur zu bemühen. Genau das möchte Facebook angeblich jetzt ändern: Nachrichten sollen sich künftig mit purer Kraft Deiner Gedanken schreiben lassen, so dass Du Dein Smartphone gar nicht erst in die Hand nehmen musst. Klingt skurril? Mit dieser Vision sind die Kalifornier nicht alleine.
Wenn Du Deinen Freunden die allerneusten News mitteilen möchtest, ist der (Um-)Weg über die Tastatur ein relativ langer. Manch einer hilft sich mit Sprach-Nachrichten aus, andere komprimieren ihre Botschaft über Emojis. Die schnellste Lösung beim Chatten wäre aber der direkte Weg aus dem Kopf in Chat. Diese Vision eines gedankengesteuerten Messengers hat sich Facebook tatsächlich in den Kopf gesetzt.
Gedanken lesen: Vom Kopf direkt aufs Display
In seiner Innovationsabteilung tüftelt der kalifornische Konzern nun an Möglichkeiten, die Dir das Schreiben von Chat-Nachrichten, Posts oder auch E-Mails deutlich vereinfachen könnten. Kaum gedacht, sollen sich Worte direkt auf dem Display zeigen – ganz ohne Magie oder Telepathie, sondern mit Hilfe durchdachter Technik. Eine Vorlage liefern Wissenschaftler der Stanford University: Mit ihrem BCI-System (Brain-Computer-Interface) gelang es einer ALS-Patientin bereits, aus reiner Gedankenkraft acht Wörter pro Minute zu „tippen“. Dafür wurde ihr allerdings ein bohnengroßes Elektroden-Implantat in den Kopf verpflanzt, was die Markttauglichkeit etwas schmälert. Facebook möchte stattdessen auf externe Sensoren setzen, die auf der Kopfhaut die Gehirnaktivität messen und Gedanken deutlich schneller übersetzen könnten: 100 Wörter pro Minute sollen schon in wenigen Jahren möglich sein. Dieses Ziel möchte ein 60-köpfiges Forschungsteam realisieren – das übrigens noch Verstärkung sucht.
Video: Youtube / Stanford
Deutsch gedacht – Spanisch verstanden
Dass andere Menschen Deine Gedanken lesen, klingt für Dich eher beunruhigend? Facebook gab bei seiner Entwicklerkonferenz F8 Entwarnung: Welche Gedanken Du mit anderen teilst, soll auch künftig ganz in Deiner Hand liegen. Denn nur Gedanken, die (bewusst) an das Sprachzentrum weitergeleitet werden, würden sich digital visualisieren lassen. Zugleich könnte die neue Schreib-Technik auch einen anderen praktischen Nebeneffekt haben: Denkbar wäre, dass Du beim Chatten plötzlich Spanisch oder auch Chinesisch verstehst. Dafür könnte eine Software den bloßen Gedanken an einen Gegenstand wie ein Buch direkt mit dem entsprechenden Fremdwort übersetzen. So könntest Du Dich in Sprachen ausdrücken, für die Du nie Vokabeln gepaukt hast.
Brain-Computer-Interfaces: Österreicher legen vor
Facebook macht sich aber weder als erster noch als einziger Gedanken über Lösungen für die blitzgescheite Mensch-Maschinen-Vernetzung. Langjährige Forschungs- und Pionierarbeit im Bereich der gedankengesteuerten Kommunikation leistete eine Firma in Österreich. G.tec medical engineering brachte schon vor gut acht Jahren ein BCI-System heraus. Mit der EEG-basierten Technik namens intendiX können gelähmte Patienten Buchstaben und Zeichen auf einem Bildschirm auswählen und somit Nachrichten schreiben. Dafür erfasst eine spezielle Elektroden-Kappe in Millisekunden-Schnelle Regungen des Gehirns. Erscheint der gedachte Buchstabe auf dem Display, reagiert der Nutzer mit einem winzigen elektrischen Spannungsanstieg, der auf der Kopfhaut gemessen und an den Computer weitergeleitet wird.
Video: Youtube / BCIChristoph
Gedanken schreiben via Eye-Tracking
Ein weiterer spannender Gedanke und zwar ganz ohne Kabelsalat auf dem Kopf sind Eye-Tracking-Methoden. Dabei werden zwar nicht direkt „Geistesblitze“ registriert, dafür aber Bewegungen der Netzhaut. So lassen sich durch visuelle Fokussierung eines gedachten Buchstabens ebenfalls Worte aufs digitale Papier bringen. Nach diesem Prinzip ermöglicht zum Beispiel die schwedische Firma Tobii mit seiner Dynavox-Serie gelähmten Patienten, wieder selbstständig einen Computer zu nutzen und E-Mails zu schreiben.
Video: Youtube / Tobii Dynavox
Längst mehr als Sci-Fi: Mind-Machine-Kommunikation
Dass gedankengesteuerte Technologien längst mehr sind als Science-Fiction-Fantasie, zeigen diverse Pilot-Projekte in aller Welt. So können sich Drohnen womöglich bald ebenso gedanklich steuern lassen wie Fahr- oder Flugzeuge. Auch zur Bewegung künstlicher Gliedmaßen reicht mittlerweile ein bewusster Geistesblitz. Weltweit tüfteln Hightech-Schmieden zugleich an gedankengesteuerter Unterhaltungselektronik – bislang jedoch kaum auf marktreifem Niveau.
Wann Du Deine Gedanken beim Messaging und Posten ohne körperliche Regung mitteilen können sollst, ließ Facebook übrigens noch offen – und in den Kopf gucken, können wir dem Konzern eben (noch) nicht.
Cooler Gedanke oder eher Grusel-Kopfkino? Was denkst Du über die Pläne? In den Kommentarzeilen würden wir sehr gerne Deine Gedanken lesen!