Digital Life
Cannes mehr als Serien: Netflix macht Kino
Es ist kein Geheimnis, dass Netflix für einen Wandel in der Rezeption des bewegten Bildes steht. Das passt einigen Köpfen der Film- und Fernsehwirtschaft nicht in den Kram. Auf den Filmfestspielen in Cannes gab Netflix Content Officer Ted Sarandos der Branche erneut Zündstoff, als er ankündigte, künftig mehr in Spielfilm-Eigenproduktionen zu investieren. Rückhalt bekam er überraschend von einem echten Hollywood-Urgestein.
A Netflix Original
… steht bereits für innovative, erfolgreiche Serienformate – teilweise mit Kultpotenzial –, die neue Wege beschreiten und die Sehgewohnheiten auf den Kopf stellen. Einer der heißesten Serienstarts, Zukunft des Fernsehens vorstellt. In der Frage/Antwort-Runde auf dem traditionellen Filmfestival in Cannes verriert Chef-Content-Netflixer Ted Sarandos nun auch, wie für ihn die Zukunft des Kinos aussieht:
Vorbei sollen die Zeiten sein, in denen der Heimkinostart erst Monate nach der Kinoauswertung losgeht. Netflix’ eigenproduzierte Spielfilme sollen am selben Tag in ausgewählten IMAX-Kinos und auf der bekannten Online-Plattform starten. Das bricht die bestehenden Strukturen völlig auf und stieß in Cannes nicht nur auf Begeisterung.
Gegenwind und Auftrieb – Weinstein steht hinter Netflix
Ein französischer Reporter meldete sich kritisch zu Wort und vermutete unvorteilhafte Auswirkungen auf den europäischen Film- und Fernsehmarkt. In diesem Moment ergriff Produzenten-Legende Harvey Weinstein das Wort. Er hoffe, dass der europäische Filmmarkt so stabil sei, Filme ohne öffentliche Förderungen produzieren zu können. Über Ted Sarandos sagte Weinstein:
„Das ist ein Kerl der Dokumentationen einkauft. Das ist ein Kerl der fremdsprachige Filme einkauft. … Diesen Rebellen hier zu haben, macht uns besser und stärker.“
Moderne Film-Distribution
Besser und stärker soll es laut Content-Chef Ted Sarandos auch für künftige Filmschaffende werden, weil, so erklärte er, Netflix für Filmschaffende eine sichere Investition sein werde. Das bisher bestehende Distributions-Modell sei wie Lotto spielen. Du veröffentlichst einen Film und hoffst darauf, dass Leute ihn ansehen und Du Gewinn damit machst. Dieses Risiko gebe es bei Netflix-Originalen nicht. Der Streaming-Riese kaufe die Spielfilme zu einem Vielfachen der Produktionskosten. Ein Verlust sei somit ausgeschlossen.
Sarandos kitzelt aber auch an einer viel wichtigeren Stelle – und zwar an der Ehre der Filmschaffenden. Dabei verweist er nicht nur auf knapp 64 Millionen Zuschauer auf Netflix, sondern auch darauf, dass mit einer dortigen Ausstrahlung Filmschaffende ein popkulturelles Zeichen setzen könnten. Denn Netflix will vermehrt den internationalen Dokumentar- und Independent-Film (Filme ohne die Beteiligung großer Studios) fördern.
Fortsetzung folgt
Schaffen es so vielleicht endlich die vielen Manuskripte auf die großen und kleinen Bildschirme, die bisher gerne mal an der Filmförderung scheitern? Im August dieses Jahres startet auf jeden Fall schon mal die Fortsetzung von Ang Lees Eastern-Hit ‚Tiger & Dragon’ unter dem vorläufigen Titel ‚Crouching Tiger, Hidden Dragon: The Green Legend’ in einigen IMAX-Kinos und parallel dazu auf Netflix. Außerdem erwähnte Sarandos auf der Pressekonferenz, dass es auch mit Berufs-Kalauer Adam Sandler bereits einen Deal über vier Filme gebe.
Kino oder Heimkino? Ist die große Leinwand für Dich schon längst ein Anachronismus? Schreib Deine Gedanken in die Kommentare. Wir sind gespannt.