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Aus Tradition wird privates Festival: “Die Menschen wollen wieder in kleinen Kreisen zusammenkommen“ – Gründerin Claudia Bousset über „Das Salonfestival“
Vor fünf Jahren hat Claudia Bousset mit einem kleinen Team das Salonfestival gegründet, eine bundesweite Initiative, bei der Menschen zu Gastgebern werden. Interessierst Du Dich für Kunst und Kultur, kommt das Salonfestival einfach zu Dir. Denn wenn Du möchtest, könntest Du als Gastgeber einen Salon in Deinem Wohnzimmer veranstalten. Die Organisatoren des Salons schlagen Dir zu Deinen thematischen Vorlieben - sei es Musik, Literatur, Politik oder etwas ganz anderes - Persönlichkeiten vor, die dann bei Dir zuhause „einen Salon“ machen, zusammen mit einer kleinen Anzahl Gäste.
Aber auch nur als Gast bist Du beim Salonfestival gerne gesehen. Mittlerweile gibt es die Veranstaltung in 22 Städten und bislang wurden knapp 900 Salons realisiert. Am 23. September findet der #SalonForFuture am Vodafone Campus in Düsseldorf statt. Für einen Blick hinter die Kulissen, haben wir mit der Geschäftsführerin Claudia Bousset über die Idee des Salonfestivals im featured-Interview gesprochen.
Wo entspringt die Idee des Salonfestivals?
Der Salon als Format hat eine sehr lange Tradition: Begründet im 18. Jahrhundert und nochmal sehr ausgelebt Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist ein Format, wo Menschen privat zusammengekommen sind, um Kultur und Kunst zu pflegen und zu genießen - vornehmlich Literatur und Musik. Es gab aber auch einen politischen Salon. Dieser Tradition haben wir Rechnung getragen und das Format ‚Kluge Köpfe zu Gast‘ gegründet. Mit unserem Salonfestival haben wir die Salonkultur wiederbelebt mit den Klassikern ‚Literatur‘ und ‚Musik‘ sowie dem Diskussionsformat ‚Kluge Köpfe zu Gast‘.
Was fasziniert Dich am Salonfestival?
Das Großartige daran ist, dass die Salons im Zusammenspiel mit den Gastgebern entstehen. Das ist die wirklich entscheidende Facette daran. Jeder Salon hat einen Gastgeber, egal ob dieser in sein Wohnzimmer einlädt oder im erweiterten Sinne in sein Wohnzimmer, sprich in Ateliers, Werkstätten oder Arbeitssituationen. Dort, wo man eben viel Zeit seines Tages verbringt, denn auch diese Orte sind in gewisser Weise Wohnzimmer. Am Anfang treffen wir die Gastgeber und überlegen, was zur Aufführung gebracht werden soll. Ob Musik, Literatur oder ein Thema der Zeit. In diesem Zusammenspiel sind bereits sehr spannende Konstellationen entstanden. Es hat immer viel mit den Gastgebern selbst zu tun, weil sie ja schlussendlich diejenigen sind, die einladen. Sie stehen für den Inhalt, selbstverständlich mit uns zusammen und unter unserem Dach.
Bei den ‚Klugen Köpfen‘ haben wir eine Themenvielfalt, die sehr breit aufgefächert ist. Hier geht es um politische Themen, um wissenschaftliche Themen, um Zukunftsvisionen. Da ist eigentlich alles im Gepäck. Der Salon ist insofern großartig, weil sich die Gäste Wissen verschaffen können und sich dieses Wissen auch von Experten bekommen, die man so sonst gar nicht treffen würde. Im Salon kann man einfach mit ihnen direkt sprechen. Dort werden Meinungen gebildet und man kann selbst Positionen für sich prüfen. Das ist eine ganz besondere Begegnung, die da entsteht und die auch sehr lange nachwirkt.
Wer sind denn die Personen, die Gastgeber eines Salons werden möchten?
Grundsätzlich kann jeder Gastgeber sein. Dafür nimmt man einfach mit dem jeweiligen Team in seiner Stadt Kontakt über unsere Internetseite auf. Wir sprechen dann mit den potentiellen Gastgebern und schauen, wie sie aufgestellt sind, was räumlich möglich ist und für welche Themen sie sich interessieren. Falls jemand in seinem Wohnzimmer keinen Platz hat, dann suchen wir gemeinsam nach Kooperationen. Dem Gastgeber machen wir Vorschläge für Räumlichkeiten und Gäste, aber schlussendlich entscheidet dann der Gastgeber. Wir richten uns nach den Interessen der Gastgeber, sie geben die Richtung vor, etwa, für welches Literatur- und Musik-Genre sie sich interessieren. Es ist ein Gemeinschaftswerk, bei dem man sein eigenes Leben viel reicher werden lässt, aber auch andere Menschen beschenkt.
Übrigens bekommt jeder Referent, der im Salon als Experte oder als Künstler zu Gast ist, ein Honorar. Hier werden alle für ihre Expertisen und für ihr Können bezahlt. Das schaffen wir, weil wir Gastgeber haben, die einen Teil des Honorars mit übernehmen, weil wir die Gäste haben, die fleißig Tickets kaufen, und weil wir Unternehmen haben, die diese Ideen fördern. Das Salonfestival ist rein privat finanziert, wir haben kein öffentliches Geld darin und das wollen wir auch nicht.
Du warst schon selbst Gastgeberin von Salons. Welche Themen wurden in Deinem Wohnzimmer diskutiert?
Mein erster Salon hieß ‚Müllkommanix‘ und thematisierte die Müllvermeidung: Was können wir jeden Tag tun, um ein bisschen mitzumachen? Witzigerweise haben wir den Salon erst neulich nochmal in Düsseldorf mit der gleichen Referentin veranstaltet. Und sie gab uns, wie ich finde, den Satz des Tages mit: ‚Lieber viele machen wenig als wenn viele wenig machen.‘ Das kann man wunderbar anwenden. Im Team sagen viele, dass dieser ‚Müllkommanix‘-Salon uns seitdem begleitet, da er unheimlich nachhaltig gewesen.
Mein letzter Salon lief unter dem Motto „Serengeti darf nicht sterben“. Ein Salon zum Thema Naturschutz in Tansania, auch sehr spannend. Diesen habe ich zusammen mit der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt gemacht. Ich hatte auch einmal einen Musik-Salon, bei dem zwei blutjunge Gitarristen aus Paris zu mir kamen: ein sensationelles Duo und großartige Musik.
Übrigens lade ich zu meinen Salons auch immer Kinder ein, denn ich habe eine kleine Tochter, die dann immer mit macht und zusammen mit mir die Gäste begrüßt. Ich achte darauf, dass die Salons kompatibel sind für Familien. Deswegen sind die Themen eigentlich immer für alle etwas.
Nun findet der #SalonForFuture bei Vodafone am 23. September ja in einem etwas größeren Wohnzimmer statt. Hier werden ‚Kluge Köpfe‘ über die Aufforstung als Maßnahme gegen den Klimawandel sprechen. Worauf freust Du Dich dabei am meisten?
Ich denke, dass dieser Salon weitere Kreise ziehen wird. Mit der Skylounge bringt Vodafone natürlich ein besonders schönes Wohnzimmer mit. Vodafone erreicht Menschen, die vielleicht auch Interesse an dem Salon haben und insgesamt viel Interesse am Kampf gegen den Klimawandel mitbringen. Denn Vodafone hat sich selbst Themen auf die Fahne geschrieben, die sehr mit unseren Schwerpunkten zusammenpassen und diese Idee fördern wir. Am meisten freut mich, dass wir damit aktuell auf die jüngste Studie der ETH Zürich reagieren, die zeigt, dass eine weltweite Aufforstung zwei Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen aufnehmen könnte. Dies wäre die effektivste Maßnahme gegen den Klimawandel.
Jetzt mal ein Blick in die Zukunft. Wo siehst Du das Salonfestival in den nächsten Jahren?
Ich glaube tatsächlich, dass das Salonfestival ein Format ist, was sich so wie es ist, noch wunderbar weiterentwickeln kann. Ich glaube auch, das Zeitalter des Großevents klingt aus, denn ich mache die Erfahrung im Salon, dass die Menschen wieder in kleinen Kreisen zusammenkommen wollen. Das wird uns auch immer wieder gespiegelt. Sie wollen wirklich miteinander reden, sie wollen sich treffen, sie wollen sich austauschen. Das Tolle ist, wenn ich in mein Wohnzimmer einlade - und ich mache das oft - dann habe ich da vielleicht fünf, sechs meiner Freunde, deren Meinung ich ja schlussendlich kenne. Aber es kommen 30 neue Leute dazu, die ich eben nicht kenne. Mit denen kommt man ins Gespräch, mit denen kann man sich austauschen und das ist etwas ganz Besonderes. Diese Leute würde ich sonst nie treffen. Und ich glaube, es besteht eine große Sehnsucht danach, sich wieder in diese kleinen Strukturen hineinleben zu können. Das kann man im Salon auf allen Seiten.
Das Interessante ist: Wir sind ja wirklich mit Prominenz beschenkt, was die Referenten-Seite anbelangt, und die Künstler kommen auch wahnsinnig gerne auf die Wohnzimmer-Bühne, weil dort sie mit großer Herzlichkeit empfangen werden. Die Referenten sind immer diejenigen, die uns ermuntern, das Salonfestival so weiter zu entwickeln. Sie bestätigen uns immer, diese 40 Personen im Wohnzimmer sind eigentlich intensiver in Sachen der Ideenfindung und Kommunikation als die 400 Leute im Saal. Der Austausch ist intensiver und die Ideen werden viel nachhaltiger weitergetragen. Das macht uns Mut und das heißt für mich, wir können weitermachen. Es wird noch viele Salons in Deutschland geben.
Gibt es das Salonfestival denn auch in anderen Ländern?
Wir sind sehr früh angesprochen worden aus europäischen Städten, ob wir dort nicht ein Salonfestival veranstalten wollen. Erst habe ich immer ein bisschen verhalten reagiert und gesagt: ‚Wir wollen das Salonfestival erstmal in Deutschland gut verankern, dann schauen wir weiter.‘ Die vergangenen fünf Jahre haben wir nutzen können, um uns wirklich gut aufzustellen, um alles Mögliche auszuprobieren, um Salon in seinem ganzen Facettenreichtum auch mal durch zu deklinieren. Jetzt wissen wir: So geht’s und so wollen und können wir es machen.
Unser Salonfestival hat sich von Mund zu Mund weitergetragen und so hat es sich ergeben, dass wir Menschen getroffen haben, die zum Beispiel für ein halbes Jahr in Kapstadt leben und finden, dass der Salon gut dorthin passen würde. Denn in Kapstadt gibt es eine große deutsche Community, deshalb haben wir dort dieses Jahr einen Testlauf des Salonfestivals gemacht. Der Erfolg war gigantisch. Wir hatten Gastgeber, die Häuser waren voll und wir haben Konzerte gemacht. Auch die ‚Klugen Köpfe‘ haben wir dort veranstaltet und ich fand es toll, dass da auch viele Menschen sind, die sich mit uns genau die gleichen Gedanken machen. Gerade bereiten wir die ersten Schritte in Zürich und Barcelona vor. Mal sehen, was noch kommt. Wir bleiben offen!
Vielen Dank für das wirklich schöne Gespräch, Claudia Bousset!
Kennst Du das Salonfestival und wenn ja, welchen Salon hast Du besucht? Sehen wir uns am #SalonForFuture?
Bilder: Das Salonfestival