Digital Life
Aus der Nische zum Trendmedium: Das Podcast-Phänomen
Stell Dir vor, Du könntest Deine Lieblings-Satiriker schon morgens beim ungezwungenen Tresen-Talk belauschen, im Supermarkt in Reportagen versinken oder beim Einschlafen eine Fremdsprache lernen – alles kein Problem, denn das vermeintliche Spartenformat „Podcast“ entfaltet mittlerweile auch hierzulande sein vielfältiges Potential. Wir haben uns umgehört, was hinter dem Podcast-Trend steckt.
Seit über einem Jahr klamauken sich Olli Schulz und Jan Böhmermann mit „Fest & Flauschig“ in die Lauscher hunderttausender Podcasat-Hörer. Dass sich die einstige RadioEins-Sendung „Sanft & Sorgfältig“ als erfolgreicher Audioblog on demand fortsetzt, ist aber weder die Wurzel noch der Gipfel eines unübersehbaren Trends: Immer mehr Menschen hören Podcasts. 13 Prozent aller deutschen Onliner ab 14 Jahren waren es 2016 laut ARD-ZDF-Onlinestudie – ein Anstieg von 37 Prozent seit 2012. Dass vor allem Digital Natives zwischen 14 und 29 Jahren auf das Internet-Medium abfahren, liegt wohl in der Natur der Sache.
Ein Allrounder-Medium: Maximale Flexibilität bei minimalen Kosten
Ob auf dem Fahrrad, in der U-Bahn, beim Joggen, Bügeln oder zum Einschlafen – Der offensichtlichste Vorteil von Podcasts ist, dass Du sie in jeder Lebenslage Deines mobilen Alltags hören kannst. Während Printmedien und YouTube-Videos („Vidcasts“) Deine volle Aufmerksamkeit beanspruchen, kannst Du einem Audio-Podcast jederzeit nebenbei lauschen – unabhängig von Sendezeiten und noch dazu völlig kostenfrei. Alles was Du brauchst, ist ein Podcatcher, also ein Programm, mit dem Du Podcasts abonnieren kannst. Hier scrollst Du durch die Angebote oder stellst Dir über die Suchfunktion und RSS-Feeds gezielt Dein Wunsch-Programm zusammen. Am PC bieten sich dafür Onlineportale wie Podcast.de, Podster oder der Cloud-Player ShortOrange an. Unterwegs kannst Du Podcasts natürlich am besten mit einer Mobile-App managen, von denen viele ebenfalls kostenfrei sind.
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Podcatcher aus den App-Stores
Über Podcast-Apps kannst Du Audiobeiträge entweder direkt via Smartphone oder Tablet streamen oder sie als Datei herunterladen. So kannst Du sie Dir später auch offline anhören und schonst bei einem Download via WLAN Dein mobiles Datenvolumen. Die meisten Podcatcher halten Dich auch über neue Folgen Deiner abonnierten Episoden auf dem Laufenden, sodass Du garantiert nichts verpasst. Vor allem im Google Play Store tummeln sich jede Menge Apps wie PodKatcher oder der kostenpflichtige Podcast Addict, die ein enormes Repertoire an MP3-Dateien, aber auch Radiosendungen und Videos bereithalten. Wenn Du als iPhone-User nicht unbedingt Geld für Apps wie iCatcher ausgeben möchtest, kannst Du Dich an der hauseigenen, bereits vorinstallierten App Podcasts bedienen. Generell ist Apple am Durchbruch des neuen Trendmediums übrigens nicht ganz unschuldig…
Vom Wort des Jahres zur Geheimwaffe der Öffentlich-rechtlichen
2005 machte der Konzern das neue Medium mit iTunes erstmals einer breiten Hörerschaft zugänglich und half dem damaligen „Audioblog“ auch namentlich auf die Sprünge: Der „Podcast“, ein Neologismus aus iPod und broadcast, ist den meisten spätestens seit seiner Wahl zum amerikanischen Wort des Jahres 2005 ein Begriff. 2006 wurde er auch in den Duden aufgenommen.
Seither hat die Idee, die im Jahr 2000 als Spielerei unter anderem des ehemaligen MTV-Moderators Adam Curry begann, die geordnete Medien- und Werbewelt ziemlich durcheinandergewirbelt – vor allem in den USA, zunehmend aber auch in Deutschland. Als vor über zehn Jahren die ersten werbefinanzierten Formate die Runde machten, verbuchten vor allem die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einen regelrechten Run auf ihre (werbefreien) Podcasts. Denn mit den Angeboten auf Abruf konnten sie eine Zielgruppe erreichen, die mit dem linearen Fernseh- und Radioprogramm nichts anfangen konnte.
Von Meditation bis Tatort: Jedem sein Podcast
Seither hat sich in der deutschen Szene viel getan. Der moderne Podcast folgt nicht unbedingt einem Skript, nimmt sich alle Zeit und Freiheiten – und bietet längst mehr als satirischen Smalltalk oder Fachsimpelei über Videospiele. Thematisch tobt sich die Podcast-Welt ebenso aus wie bei den Qualitätsansprüchen: von Lifestyle-, Fitness- und Meditations-Coaching über Hörspiele, Tatortkrimis oder gezielte Einschlafhilfen bis hin zu Fremdsprachen-Kurse, Business-Ratgeber und Infoformaten. Wer von alle dem nicht genug bekommt und glaubt, dass noch nicht alles gesagt wurde, findet auch Podcasts übers Podcasten und kann sich selbst ausprobieren. Plattformen gibt es mittlerweile genug, noch dazu ist die Produktion nicht besonders aufwändig und vergleichsweise kostengünstig.
Die Podcast-Szene startet durch
Nicht mehr nur die Sendeanstalten, iTunes und klassische Podcatcher tragen zur Verbreitung bei, sondern auch Streaming-Dienste wie Deezer. Das trifft sich gut, denn sie verbuchen laut der Onlinestudie von ARD und ZDF ebenfalls einen Nutzerzuwachs. Dienste wie radio.de oder Stitcher, mit denen jeder seine Beiträge unkompliziert veröffentlichen kann, kurbeln den Podcast-Boom weiter an. Für reichlich Nachschub an Audiostoffen sorgen Wettbewerbe wie Call for Podcast, den der Bayrische Rundfunk (BR) Ende 2016 ausrief, oder auch neue Plattformen wie das Berliner Label Viertausendhertz.
So mischen sich unter die professionellen Radiomacher und prominenten Moderatoren auch experimentierfreudige Audio-Neulinge, die das Hörerlebnis auf Abruf weiter aus seinem Nischen-Dasein drängen. Immer mehr Macher können sich über ein treues Publikum freuen, die über Crowdfunding-Portale wie Patreon freiwillig einen Betrag zahlen. Frei von Werbung und Gebühreneinnahmen entstehen so unabhängige, immer öfter auch journalistische und qualitativ hochwertige Beiträge.
Es lohnt sich also, den Podcast-Trend weiter im Blick und vor allem in den Ohren zu behalten.
Welche Podcasts haben es Dir besonders angetan? Oder hast Du schon selbst Deine Qualitäten als Podcaster entdeckt? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!