Digital Life
25 Jahre MP3: Wie ein Audio-Codec aus Erlangen die Musik-Welt revolutionierte
Ein Audio-Codec mit der kryptischen Dateiendung „mp3“ stieß vor 25 Jahren eine Revolution in der internationalen Musikwelt an. Hättest Du gedacht, dass hinter dem MP3-Format eine Innovation „Made in Germany“ steckt? Wie es dazu kam und warum MP3 zum Symbol eines weitreichenden Wandels im digitalen Zeitalter wurde, verraten wir Dir in unserem Rückblick zum Jubiläum.
„1.000 Songs in Deiner Tasche“, versprach Apple-Chef Steve Jobs bei der Vorstellung des iPods im Oktober 2001 und brachte damit das revolutionäre Konzept des Dateiformats MP3 auf den Punkt. Vor 25 Jahren hat der Audio-Codec tragbare Musikgeräte erst möglich gemacht und den Grundstein für heutige Streaming-Dienste gelegt. Entstanden ist der Erfolgsstandard aber nicht im Silicon Valley, sondern im fränkischen Erlangen.
Wie viele Audiodaten passen durch eine Telefonleitung?
Alles begann bereits Ende der 1970er Jahre mit der Idee, Musiksignale über digitale Telefonleitungen (ISDN) zu übertragen. Dafür musste ein neues Kodierungsverfahren her, mit dem Audiodaten verkleinert und in hoher Qualität bei niedrigen Bitraten codiert werden konnten. Diese scheinbar unlösbare Aufgabe machte der Student Karlheinz Brandenburg am Lehrstuhl für Technische Elektronik in Erlangen zum Thema seiner Doktorarbeit.
Aus der Idee wurde schnell eine größere Vision. Mit einem kleinen Team nahm er sich vor, die nächste Generation der Ton-Übertragung für Hörfunk und Fernsehen zu entwickeln und tat sich dafür mit dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) zusammen. Das Forschungsprojekt wurde schließlich durch das EU-Programm „EUREKA“ für Digital Audio Broadcasting (DAB) gefördert und konnte ab 1987 in einem größeren Team vorangebracht werden.
25 Jahre MP3: Vom Studentenprojekt zum internationalen Erfolgsstandard
Die Arbeiten nahmen weiter Fahrt auf, als die Internationale Standardisierungs-Organisation „Moving Picture Experts Group“(MPEG), 1988 nach einem Kodierungsverfahren suchte, mit dem Audiodateien sowohl über digitalen Hörfunk als auch im Internet übertragen werden können. Da sich die Organisation auf kein Verfahren einigen konnte, wurden gleich drei Methoden standardisiert. Darunter war auch die Technologie der Fraunhofer Forscher, die zunächst den Titel „MPEG Layer 3“ bekam und sich schließlich gegen die MPEG Layer 1 und 2 durchsetzte.
Mit dem MPEG Layer 3 benötigte eine Datei im Vergleich zum Original nur noch rund zehn Prozent des Speicherplatzes. So wurde es möglich, selbst über die langsamen Internet-Verbindungen der damaligen Zeit Audiodateien schnell zu übertragen und diese auf kleinen, tragbaren Geräten zu speichern. Am 14. Juli 1995 einigten sich die Entwickler auf die Dateiendung „mp3“ für ihren neuen Audiostandard. 25 Jahre später ist der daraus abgeleitete Name „MP3“ aus der digitalen Musikwelt nicht mehr wegzudenken.
Krimineller Hack befeuert die Verbreitung des MP3-Codecs
Da sich nach der Fertigstellung keine großen Unternehmen für das Format interessierten, boten die Entwickler ihre Codierungssoftware im Internet zum kostenpflichtigen Download an. Doch das große MP3-Geschäft platzte: Ein australischer Student kaufte die Software mit einer gestohlenen Kreditkarte und machte sie öffentlich zugänglich. Mit dem Leak wurde die Verbreitung des MP3-Formats zum Selbstläufer. Innerhalb kürzester Zeit entstanden kostenlose Programme und Webseiten, mit denen plötzlich jeder MP3-Musik frei herunterladen und eigene MP3-Dateien erstellen konnte.
Das Ganze gipfelte 1999 auf der Plattform Napster, auf der Nutzer ihre Musiksammlungen im großen Stil teilten und tauschten. Der Vorläufer der heutigen Streaming-Dienste rüttelte kräftig am Fundament der Musikindustrie. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte MP3 die Art und Weise, wie wir Musik kaufen, nutzen und speichern, bereits grundlegend verändert.
Musik, wann und wo Du willst: Vom MP3-Player zu Streaming-Diensten
Die Fraunhofer-Entwickler suchten nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten und hatten bald die Idee von tragbaren Musikspielern. Mit einem deutschen Unternehmen entwickelten sie den ersten MP3-Decoder-Chip und stellten den Prototyp eines MP3-Players vor. Etwas schneller waren jedoch Hersteller aus den USA und Korea, die 1998 die ersten taschengroßen MP3-Spieler auf den Markt brachten. Auch als die Welle der tragbaren Musik-Player in den 2010er Jahren wieder abebbte, blieb MP3 relevant.
Das Fraunhofer IIS arbeitete kontinuierlich an Verbesserungen des Codecs und entwickelte weitere Kodierungsverfahren. So entstanden Nachfolger-Formate wie MPEG Advanced Audio Coding (AAC), das heute bei fast allen Streaming-Diensten im Einsatz ist. Mittlerweile sind es nicht mehr 1.000, sondern mehrere Millionen Songs, die Du über das Internet jederzeit auf Deinem Smartphone abrufen kannst.
Codec-Technologien für kristallklare Sprachqualität
Wenn Du heute ein neues Smartphone kaufst, hat es mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Audio-Technologien des Fraunhofer IIS implementiert. Bei denen geht es nicht mehr nur um Musik. Mit dem Codec für die sogenannten „Enhanced Voice-Services“ (EVS) verbesserten die Forscher die Sprachqualität bei Gesprächen im 4G- und 5G- Mobilfunknetz und lieferten damit die Grundlage der Vodafone Crystal Clear-Technologie.
Obwohl es längst effizientere Audio-Codecs gibt, ist MP3 seit 25 Jahren aus den digitalen Musikarchiven nicht mehr wegzudenken. Es hat den Zugang zu Musik demokratisiert und den Weg geebnet, um digitale Audioinhalte wie Hörbücher, Hörspiele oder auch Podcasts im großen Stil zu verbreiten. Im Duden ist MP3 bis heute als das „meistverwendete Dateiformat für komprimierte Audiodateien“ aufgeführt. Wer weiß, wie viele tolle Songs, Hörbücher und Podcasts wir ohne den revolutionären Audio-Codec nie zu hören gekriegt hätten.
Hast Du auch noch eine MP3-Musik-Sammlung auf der Festplatte? Wie groß ist sie in 25 Jahren geworden? Schreib uns, was Du MP3 verbindest!