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Connecting4Good: Die besten Apps für Blinde und Sehbehinderte
Alleine durch die Stadt bummeln und shoppen, Briefe lesen oder Farben hören: Apps für Sehbehinderte verheißen Erstaunliches. Die digitalen Sinnes-Helfer können bereits vieles aus Deiner visuellen Umwelt erkennen, lotsen Dich mit Sprachhinweisen durch zahlreiche Alltagsituationen und werden dabei immer intelligenter.
Das Smartphone ist mit seinem glatten Touchscreen und der Displayanzeige in erster Linie für Sehende konzipiert. Doch dank zahlreicher Apps für Sehbehinderte und Sprachassistenten erweisen sich Mobilgeräte auch für blinde Menschen als wertvolle Alltagshilfe. Wir stellen Dir in #Connecting4Good ein paar spannende Apps für Sehbehinderte vor.
EyeMusic: Wenn Blinde mit den Ohren sehen
Eine neue Technologie möchte Blinden dabei helfen, ihre Umgebung akustisch zu „sehen“. Dabei filmt eine Kamera-Brille ein Objekt und übersetzt dessen Eigenschaften in Töne oder Musik. So sollen Menschen mit Sehbehinderung nicht nur Farben erkennen und unterscheiden, sondern auch Gesichtsausdrücke wahrnehmen oder sogar gedruckte Buchstaben „lesen“. Der Neurowissenschaftler Amir Amedi von der Hebräischen Universität in Jerusalem entwickelte das ausgeklügelte System. Die akustischen Informationen sollen Hirnbereiche aktivieren, die für die visuelle Wahrnehmung zuständig sind. Um das zu lernen und die Ton-Sprache in Bilder übersetzen zu können, gibt es bereits eine kostenlose iOS-App. Hinter der Technologie steht das Projekt EyeMusic, das durch das EU-Forschungsprogramm „Horizon 2020“ gefördert wird.
Seeing AI: Die Welt mit den Augen einer App hören
Microsoft möchte hingegen die Smartphone-Kamera mit einer kostenlosen iOS-App und Künstlicher Intelligenz in ein stellvertretendes Auge verwandeln. Seeing AI erzählt Menschen mit eingeschränkter Sehkraft, was gerade vor ihrer iPhone-Linse passiert. „Intelligent“ ist die Software vor allem, weil sie nicht nur Objekte erkennt, sondern auch Personen und Situationen „deuten“ kann. Nimmst Du mit der App eine Szene ins Visier, erzählt sie Dir zum Beispiel, dass Dein Gegenüber ein etwa 20-jähriges Mädchen ist, das gerade seine Brille putzt und dabei glücklich aussieht. Bislang ist die App nur als englische Version im Apple-App-Store zu finden und soll mit weiteren Funktionen wie einem Geldscanner ausstaffiert werden. Damit bündelt Microsoft eine Reihe nützlicher Features in einer App, die sich Blinde und Sehbehinderte bislang etwas mühsam mit einzelnen Tools zusammensammeln mussten.
Butter, Bargeld und Briefe
Um die Produktsuche im Supermarkt zu vereinfachen, intergiert Seeing AI natürlich auch einen Barcodescanner inklusive piepender Audiohilfe, damit Du den Strichcode schneller findest. Diese Art der Objekterkennung hat die Gratis-App Codecheck allerdings schon länger drauf und gibt ihre Infos mit Apples Screenreader VoiceOver oder Androids Talkback-Tool auch per Ansage preis.
Dass Blinde bürokratische Aufgaben erledigen können, ist ebenfalls keine ganz neue Idee von Microsoft. Briefe, Unterlagen und andere Schriftstücke kannst Du zum Beispiel mit dem KNFB Reader über die Handykamera einscannen und Dir vorlesen lassen. Um nur mal eben die Speisekarte im Restaurant zu verstehen, erweist sich auch der kostenlose Text Detektiv für iOS- und Android-User als praktische Alternative. Geht es dann ans Bezahlen, kann die iOS-App NantMobile Geldleser den Wert anvisierter Geldscheine benennen und weiß dabei zwanzig Währungen zu unterscheiden. Die Android-Lösung Blind-Droid-Wallet zählt zwar nur Euro- und Dollarscheine, macht das aber ebenfalls kostenfrei.
Alltagsgegenstände auch ohne Barcode erkennen
Nun sind längst nicht alle Dinge des täglichen Lebens mit einem Barcode oder einem Etikett versehen. Das macht aber nichts, denn um Alltagsgegenstände erkennen zu können, begnügen sich Apps wie Aipoly mit einem simplen Foto. Schon etwas länger im Google- und Apple-App-Store vertreten ist das kostenlose Tool TapTapSee, das Motive mit einer Online-Datenbank abgleicht und benennt. Ob es sich bei einer „Flasche mit transparenter Flüssigkeit“ um Wasser oder Sprite handelt, musst Du allerdings auf anderem Wege herausfinden. Um künftige Verwechslungen zu vermeiden, kannst Du die Flasche dann mit der iOS-App LookTel Recognizer fotografieren und mit einer Sprachmemo versehen. Das klappt natürlich auch, um Konservendosen, CDs oder andere haptisch ähnliche Objekte auseinanderzuhalten.
Die Welt klingt bunt
Spätestens wenn es darum geht, Urlaubsfotos zu sichten oder das Postkartenbild zu verstehen, wird es mit eingeschränkter Sehkraft allerdings knifflig. Um Bilder für Blinde erlebbar zu machen, analysiert und beschreibt die Gratis-iOS-App FotoOto anvisierte Motive, wobei sie Farben nicht nur in Worten „erklärt“, sondern auch mit unterschiedlichen Klängen. Diese melodische Farbvermittlung ist mit dem kostenpflichtigen Kollegen ColorSay auch bei ganz banalen Alltagsfragen hilfreich – beispielsweise bei der morgendlichen Kleiderwahl. Ob Du die schwarze oder rote Bluse aus dem Schrank gefischt hast, lässt sich ebenso mit dem kostenlosen Allround-Hilfsmittel ViaOptaDaily bestimmen. Die App aus dem Google- und Apple-Store lässt Farben zwar nicht instrumental erklingen, kennt sich dafür aber unter anderem auch mit Objekten und Orten aus.
„Parkbank auf 12 Uhr“: Mobile Sprachlotsen
Sich in einer fremden Stadt zu orientieren, kann schon für Sehende eine Herausforderung sein. Während Du mit Google Maps schnell auf dem richtigen Weg bist, bekommen Blinde mit dem iOS-Tool BlindSquare einen passenden Lotsen in die Hand. Dank GPS und Kompass weiß die App, welche Straßen, Kreuzungen und Geschäfte sich in Deiner unmittelbaren Umgebung befinden, und manövriert Dich mit einfachen Ansagen ans Ziel. Mit rund 44 Euro kostet dieser Navigationsservice allerdings fast so viel wie eine Stadtführung. Da könnte ViaOptaNav aus dem Google Play- und Apple-App-Store eine ebenso wegweisende und vor allem kostenlose Alternative sein.
Im Zweifelsfall schadet es natürlich nie, Mitmenschen um Rat zu fragen. Um das zu vereinfachen, bringt die kostenlose App Be My Eyes ein Netzwerk ehrenamtlicher Helfer zusammen. Stellt ein blinder Nutzer über die Plattform eine Frage, verbindet die App ihn per Videocall mit einem sehenden Freiwilligen, der seinem Gegenüber beschreibt, was er sieht. Derzeit ist die App nur für iOS-User erhältlich, eine Android-Version ist aber bereits in Arbeit.
Apps für Sehbehinderte: Hören, was auf der Leinwand läuft
Nun aber mal raus aus dem Alltag und rein ins Vergnügen: Was läuft im Kino? Frag Greta! Die iOS- und Android-App möchte den Leinwandinhalt für Blinde mit Audiodeskriptionen erlebbar machen. Nach dem kostenlosen Download hält Dich Greta wöchentlich über aktuelle Filmstarts auf dem Laufenden, zu denen Du die passende Tonspur herunterladen kannst. Im Kinosaal brauchst Du dann nur noch Dein Smartphone und Kopfhörer, um der Bildbeschreibung von Greta zu lauschen. Dabei synchronisiert sich die App permanent mit dem Live-Ton des Films, so dass die Wiedergabe auch nach einer Pause stets an der richtigen Stelle startet. Einmal im Workflow haben die Macher auch gleich ein ebenso hilfreiches Tool für Gehörlose entwickelt: die Starks-App.
Damit blinde Menschen die visuelle Welt wahrnehmen und am digitalen Alltag teilnehmen können, lassen sich App-Entwickler also mittlerweile einiges einfallen – und werden dabei immer besser.
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Bild: Seeing AI Microsoft